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Montag, 26. August 2024

Die Welt der Regenwildnis


Robin Hobbs Novelle Homecoming, Teil Zwei

There is no plenty here, only strangeness that
lurks by day and prowls amongst our huts by night.

Lady Carillions Tagebuch

Vorbemerkung

Die narratologische Analyse der Novelle Homecoming in Das Tagebuch der Lady Carillion, insbesondere die Rolle der Erzählinstanz und der Erzählperspektive, ermöglichte eine fundierte Beurteilung der Stimme, die die Absicht, die die Autorin mit ihrer Novelle bezweckt, an die Leserschaft zu vermitteln, ganz im Sinne von Marshall McLuhans Sentenz The Medium is the Message. Die Konstruktion von Homecoming, das narrative Handwerk der realen Autorin Robin Hobb in der Erfindung fiktionaler Welten, bildet den zweiten Teil meiner Analyse, in der ich beabsichtige, Genre und Worldbuilding der Novelle in den Mittelpunkt meiner Betrachtung zu rücken. In Robin Hobbs erzählerischem Werk liegt der narrative Fokus normalerweise stärker auf den inneren Konflikten ihrer Figuren als auf den äußeren Herausforderungen. Sie konzentriert sich dabei auf das Individuum und die Erforschung der psychischen Befindlichkeit beziehungsweise Traumata ihrer Figuren. In ihrer Novelle Homecoming bildet das Verhältnis zwischen Regenwildnis und Lady Carillion eine konkurrierende Beziehung. Der Charakter der Regenwildnis ist in ihrer Erzählung so präsent, dass die Landschaft als Protagonist betrachtet werden kann, quasi als Antagonist, der mit der Hauptfigur eine rivalisierende Beziehung unterhält, in der beide ihre Kräfte messen.1

Mittwoch, 21. August 2024

Lady Carillions Tagebuch


Robin Hobbs Novelle Homecoming, Teil Eins

Some spirit of the Rain Wilds whispered to me,
»Try to master it and it will engulf you.
Become a part of it, and live.«

Lady Carillions Tagebuch

Vorbemerkung

Es war einmal in einem Reich, in dem Drachen und Menschen zum gegenseitigen Nutzen friedlich zusammenlebten. Drachen-Essenz hatte sich mit der Natur des Menschen vermischt. Aus dieser zufälligen Mischung waren die Altvorderen hervorgegangen. Sie waren groß und schlank gewesen, drachenäugig und mit goldenem Haar. Diese uralte Rasse hatte mit den Drachen zusammengelebt und sich in dieser Symbiose gesonnt.1
Das Reich der Altvorderen (Elderlings) war schon lange untergegangen als Verbannte und Kriminelle aus Jamaillia-Stadt die Ruinen dieser alten Kultur wiederentdeckten, sie plünderten und zerstörten. Robin Hobbs Novelle Homecoming erzählt von diesen Pionieren, der Entdeckung einer versunkenen Stadt und den Konsequenten, die daraus entstehen. Sie überliefert in Form eines Tagebuchs einige Monate aus dem entbehrungsreichen Leben der jamailliaischen Adeligen Lady Carillion Waljin Carrock in der Regenwildnis. Die Erzählung ist nicht nur ein vielleicht verloren gegangenes, und Jahre später wiedergefundenes Tagebuch. Sie bietet auch eine unterhaltsame, spannende Lektüre der Schemaliteratur, die eine wichtige Funktion in Robin Hobbs mehrere tausend Seiten umfassende Serie The Realm of the Elderlings spielt. Sie gehört nämlich

  • zur Geschichte hinter der Geschichte der Serie,
  • ist im Kern feministische Literatur und
  • überbrückt die durch die Tawny Man Trilogy entstandene Unterbrechung zwischen den Romanen der Liveship Traders Trilogy und der Rain Wild Chronicle.

Dienstag, 20. August 2024

Die Entfremdung des Alltäglichen


Magic is better than crazy!
Megan Lindholm

Vorbemerkung

Gegenstand dieser Studie ist die Bedeutungsebene der Kurzgeschichte Neighbours der US-amerikanischen Schriftstellerin Margaret Astrid Lindholm Ogden, die seit über zwanzig Jahren unter den Pseudonymen Megan Lindholm und Robin Hobb Phantastische Literatur veröffentlicht.1 Wer eine Erzählung von Megan Lindholm wählt, erwartet eine Fantasy-Erzählung. Doch in Neighbours suchen Leser*innen vergeblich nach mittelalterlichem Ambiente, wundermächtigen Artefakten oder übernatürlichen Protagonisten und auch die in der Fantasy allgegenwärtige Magie spielt nur eine eher subtile Rolle. Die erzählte Zeit sowie die erzählte Welt, das ganze Worldbuilding, entsprechen der realen Welt der Leser*innen. Selbst der Nebel, der zunehmend merkwürdiger wird, und Sarah, die intern-fokalisierte Erzählfigur einer heterodiegetischen Erzählerin, verunsichert, ist letzten Endes ein normales Phänomen in der Welt der Leser*innen. Hermann Hesse hat diese Atmosphäre in seinem Gedicht Im Nebel eingefangen:

Samstag, 25. Mai 2024

Thank you. Now I am bound


Kulturwissenschaftliche Perspektiven in Robin Hobbs Kurzgeschichte Words Like Coins

Careless words are dangerous. To all.
You waste words on what you can’t change.

Robin Hobb

Vorbemerkung

Es ist interessant zu entdecken, welche Zutaten Robin Hobb mischt, um eine spannende Erzählung zu konstruieren, die ihre Leser*innen fesselt. In ihrer Kurzgeschichte Words Like Coins ist das Worldbuilding einfach und unspektakulär. Für die erzählte Welt reicht ihr ein Bauernhof mit seinen Wohnräumen und Nebengebäuden, ein austrocknender Brunnen und ein paar vertrocknete Felder. Die erzählte Zeit, eine Zeit der Dürre, drei Tage und zwei Nächte im Leben von drei Figuren unterschiedlicher Herkunft. Words Like Coins gehört nach einem Eintrag der englischen Wikipedia1 zu den Erzähltexten mit der die Autorin ihre Serie The Realm of the Elderlings begleitet, obwohl man auch anderer Meinung sein kann, denn die Bezüge zu den narrativen Motiven ihres Hauptwerks sind doch sehr dünn.2