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Samstag, 31. August 2024

Das Böse als Erzählfigur der Phantastik: Worldbuilding

Carlos Ruiz Zafóns fiktionale Jugendromane Die Trilogie des Nebels und Marina, Teil Zwei


. . . das Schloss, ein kathedralartiges Hirngespinst, Ausgeburt
einer überspannten, gequälten Phantasie . . . glich allmählich
einem in den Stein gehauenen, klaustrophobischen Schlund.

Carlos Ruiz Zafón


Vorbemerkung

Wer von einer Lektüre mehr erwartet als genüsslich spannende Unterhaltung, worin auch ihr eigentlicher Sinn besteht, mehr als bloßen Konsum dessen, was Autor*innen in monatelanger Arbeit in ihrer Fantasie konstruiert und auf hunderten Buchseiten inszeniert haben, findet einen besonderen Zugang zu einer Erzählung. Wer sich aufmacht, tiefer in die narrative Welt der Erzählfiguren einzutauchen, muss sich mit der erzählten Zeit und der erzählten Welt, dem Wordbuilding der Erzählung beschäftigen, die ihn eben erst verzaubert hat. Und besonders muss er die Figuren der erzählten Welt näher kennenlernen, die nicht mit dem Autor oder der Autorin, aus deren Fantasie und Feder die Erzählung floss, identisch sind. Es sind die Erzählfiguren, die dem Worldbuilding einer Geschichte Leben einhauchen. Mit ihnen steht oder fällt jede Erzählung. Um die Orte des Bösen und deren Atmosphäre in der Trilogie des Nebels näher zu bestimmen, beschränke ich mich in meinen Ausführungen auf diese beiden Phänomene, die Zafóns Romanen ihre innere Struktur verleihen:

  • Einerseits sind das die Orte des Geschehens, denen eine spezifische Atmosphäre anhaftet, die sich in der Trilogie als Nicht-Orte manifestieren, wenn das Böse sie besetzt: Spukhäuser, Ruinen, verwilderte oder verlassene, abgelegene unheimliche Lost Places jeglicher Couleur als Rückzugsgebiete des Bösen.
  • Andererseits die Manifestation dieser Atmosphären an den Nicht-Orten der Trilogie, den Antagonisten, die wie reale Personen auftreten, auf die ich im dritten Teil dieser Untersuchung eingehen werde.

Donnerstag, 18. Juli 2024

Jugendliteratur als Initiationsgeschichten


Vorbemerkung

Philip Pullmans Erzähltexte seiner Serie His Dark Materials werden im Allgemeinen als Literatur für Kinder zwischen 9 und 13 geführt. Ich kann die Gründe für diese Einordnung nicht nachvollziehen, weil die Implikationen der Themen von The Subtle Knife und besonders von The Amber Spyglass die Erfahrungen und die Urteilsfähigkeit von Kindern arg strapazieren. Vielleicht hängt diese Zuordnung allein damit zusammen, weil in den Erzähltexten sprechende Tiere und Hexen vorkommen, und Fantasy mit Märchen verwechselt wurde.
Die Unterschiede zwischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenliteratur sind fließend, unterliegen dem historischen Wandel sowie dem unterschiedlichen persönlichen Entwicklungsstand der Leser*innen, weshalb sie nur allgemein definiert werden können. Die Altersscheidegrenze von Kinder- und Jugendliteratur liegt im deutschen Sprachraum zwischen 12 und 14 Jahren. In den Vereinigten Staaten sind Jugendbücher (Young Adult Books) an mindestens 14- bis 16-Jährige adressiert, im englischsprachigen Raum existiert der Begriff Middle Grade Fiction für Kinder der mittleren Klassenstufen der 10- bis 12-jährigen. Abseits von jeglichem Genre-Gerangel und Altersgrenzen fand Philip Pullman ein farbenprächtiges Bild für seine bevorzugte Zielgruppe, das einer Graphic Novel entsprungen sein könnte: