Freitag, 30. Dezember 2022

Imaginationen einer Anderen Welt, Teil Vier


Tolkien ist Mythograph, und gleichzeitig Linguist, Historiker, Geograph, Ethnologe und Theologe. Sein Werk verfolgt die Komposition und Konzeptionalisierung einer ganzen Kosmologie und Weltanschauung. Seine Texte nähern sich anthropologischen Studien und Monographien: Sie laden zu genauer Lektüre in literaturkritischer Absicht ein. Seine Erzählungen und Essays knüpfen an die kognitive, diskursive Ethnologie an, nach der Kultur im eigentlichen Sinne Sprache ist, über Sprache entsteht und sich über diese in die Zeit hinein entfaltet. Die Besonderheit von Tolkiens Vorgehen besteht in seiner Arbeitsweise: im ersten Schritt entwirft er einen artifiziellen Kosmos, den er in einem zweiten Schritt entdeckt und im dritten zu erforschen beginnt. Während des Forschens und Schreibens dehnte sich diese Welt aus, geriet ihrem Schöpfer zu einem nicht endenden Prozess, der nicht abgeschlossen wurde. Diese Auffassung hängt sehr eng mit Tolkiens Bekenntnis zum Katholizismus, mit seiner Art zu glauben, zusammen. In einem Gespräch mit Tolkien vertrat C.W. Lewis die These, Mythen seien durch Silber geblasene Lügen. Ich wiederhole diese Auffassung gerne, denn sie trifft ins Zentrum von Tolkiens Schaffen, der in seiner Erwiderung den Mythos rehabilitiert:

[...] obwohl sie den Irrtum enthalten, zugleich einen Funken des wahren Lichts spiegeln, der ewigen Wahrheit, die bei Gott ist. Ja, nur indem er [der Mensch] Mythen schafft, indem er »nach-schöpferisch« wird und Geschichten erfindet, kann der Mensch sich dem Stand der Vollkommenheit nähern, den er vor dem Sündenfall gekannt hat. Unsere Mythen mögen irregeleitet sein, aber sie steuern, wenn auch noch so unsicher, auf den rechten Hafen zu, während der materialistische »Fortschritt« nur in den gähnenden Abgrund und zur Eisenkrone des Bösen führt.115

Die Essenz seiner Theorie des Mythos formuliert er in seinem Gedicht Mythopoeia:

[...] Wenn auch nun schon lang entfremdet, ist der Mensch doch nicht ganz verloren, nicht ganz verändert. Entgnadet mag er sein, doch ist er nicht entthront und bewahrt noch die Lumpen der Herrscherwürde, die er einst besessen: Mensch, Nebenschöpfer, durch den das gebrochene Licht sich spaltet aus dem einen Weiß in viele Farben und sich endlos verbindet zu lebendigen Formen, die wandern von Geist zu Geist.116

Der Erzähler ist ein Nebenschöpfer, ein sub-creator, der eine Sekundärwelt schafft, die in der Fantasie betreten werden kann. In dieser Welt ist wahr, was erzählt wird, und solange geglaubt wird, was erzählt wird, bleibt der Bann ungebrochen – die Kunst hat sich in der Neuschöpfung des Mythos zu bewähren:

Die Bedeutung eines Mythos [urteilt Tolkien] ist nicht leicht analytisch zu Papier zu bringen. Sie ist am besten aufgehoben bei einem Dichter, der eher empfindet als ausspricht, worauf sein Thema hindeutet; der es leibhaftig in der Welt der Geschichte und Geographie darstellt, wie es auch unser Dichter [des Beowulf] getan hat.117

Die beeindruckendste Darstellung, in der Tolkien seine Auffassung vom Zweitschöpfertum formuliert hat (und daneben auch seine eigene Arbeitsweise), enthält seine autobiographische Allegorie Blatt von Tüftler:

Insbesondere ein Bild macht ihm [Tüftler] Kummer. Es hatte angefangen mit einem Blatt, das im Winde wehte, und es wurde ein Baum; und der Baum wuchs, er streckte unzählige Äste aus und bekam ganz fantastische Wurzeln. Seltsame Vögel kamen angeflogen und setzen sich auf seine Zweige und mussten auch betreut werden. Dann begann überall um den Baum herum und hinter ihm und in den Lücken zwischen den Blättern und dem Geäst eine Landschaft sich auszubreiten; undeutlich sah man einen Wald, der sich über das Land hinzog, und Berge mit schneebedeckten Gipfeln. Tüftler verlor das Interesse an seinen anderen Bildern; oder er nahm sie und befestigte sie an den Rändern seines großen Bildes. Bald wurde die Leinwand so riesig, dass er eine Leiter brauchte; und er klettere hinauf und hinunter, tupfte hier einen Pinselstrich hin und rieb dort ein Fleckchen wieder weg.118

Am Ende der Erzählung vollendet Tüftler sein Bild vom Baum (seine Erzählungen sind auch dieser »Baum«), das mit einem Blatt begann, dem Fall von Gondolin, und sich zu einem Wald entwickelte, dem Silmarillion und den Erzählungen vom Ringkrieg; die vielen seiner begleitenden Texte nicht mitgezählt. In der Sekundärwelt werden sie Realität, und als Zweitschöpfung angenommen. In der Fantasie, in Märchen und Mythos, gelingt es Tolkiens Protagonisten-Paar, Tüftler und Parish, Fantasie und Realität miteinander zu versöhnen. Die im pragmatischen Materialismus verharrenden Bürokraten, Schulte und Meier, für Tüftlers Nachruf verantwortlich, bewahren nur ein Blatt von Tüftler, und stellen es im städtischen Museum aus, bis es dort bei einem Brand vernichtet wird. Und so wird Tüftler einem Ideal gerecht, dass der Dichter des von Tolkien verehrten Beowulf in die folgenden Worte gefasst hat:

365 Hý bēnan synt,
þæt hīe, þēoden mīn, wið þē mōton
wordum wrixlan;

Sie fragen,
ob sie, mein Gebieter, mit dir
Worte wechseln dürfen;

871 Secg eft ongan
sið Beowulfes snyttrum styrian,
ond on spēd wrecan spel gerāde,
wordum wrixlan.

Der Krieger begann wieder,
die Unternehmungen Beowulfs geschickt zu berichten
und mit Geschick eine passende Erzählung vorzutragen,
und die Wörter zu variieren.
..119

Die Formulierung wordum wrixlan, die Wörter variieren, in den Zeilen 366 und 874 des Beowulf, die der Autor dieser Dichtung in den beiden Textstellen benutzt, bezieht sich auf die poetisch schön aneinandergereihten Worte (Verse) des epischen oder dichterischen Vortrags, auf das zentrale Motiv im Gewebe eines poetischen Gobelins. Ob es einem Autor gelingt, die Wörter seines Textes ästhetisch aneinanderzureihen, und dennoch seinem inneren Bild den angemessenen Ausdruck zu geben, entscheidet seine Kunstfertigkeit. Kunst, so Tolkien, ist das aktive Bindeglied zwischen der Einbildungskraft und dem Endergebnis, der Zweitschöpfung.120 In der von ihm geschaffenen Sekundärwelt konfrontiert Tolkien seine Leser absichtlich mit der Fremdheit des auf den ersten Blick Unwirklichen (des der vertrauten, alltäglichen Primärwelt Unähnlichen), bekennt sich offen zum Fantastischen als des eigentlichen Inhalts der Fantasie, verkündet, es sei ein

Vorzug und kein Gebrechen, dass es Vorstellungen von Dingen außerhalb unserer Primärwelt gebe. Die Fantasie, die Tolkien vorschwebt, ist umso schwerer zu inszenieren, je weniger die Vorstellungen und Umbildungen den tatsächlichen Verhältnissen in der Primärwelt entsprechen.121

Tolkiens erklärtes Ziel als Schriftsteller bestand in der Konzeption einer Nebenschöpfung, die eine Sekundärwelt entwirft, wie sie exemplarisch im Silmarillion und im darauf basierenden Herrn der Ringe vorliegt. In einer Vorlesung an der St. Andrews-Universität stellte Tolkien am 8. März 1939 dieses dichterische Programm vor:

Jeder Schriftsteller, der eine Sekundärwelt schafft, wünscht in gewissem Maße, ein echter Schöpfer zu sein, oder hofft, aus dem Wirklichen zu schöpfen: hofft, dass die Eigenart dieser Sekundärwelt sich aus der Wirklichkeit herleitet oder in sie übergeht.122

Allerdings bedarf das Experiment Sekundärwelt auf Seiten des Lesers zur Bereitschaft des parallelen Sekundärglaubens. Tolkien sympathisierte mit dem Standpunkt eines seiner zahlreichen Alter Ego, dem Noldor Fëanor, und Schöpfer der Silmaril. Fëanor, ein großartiger Künstler und Handwerker, bricht im Neunten Kapitel des Silmarillion in Tränen aus, als man von ihm verlangte, die Silmaril auszuhändigen. In dieser emotional hoch aufgeladenen Situation äußerte Fëanor den folgenden, denkwürdigen Satz:

Doch nun sprach Feanor, bitterlich weinend: »Der Geringe wie der Hohe kann manches Werk nur einmal vollbringen, und an diesem Werk hängt sein Herz. Ich kann vielleicht meine Steine hergeben, doch nie mehr werde ich ihresgleichen schaffen; und wenn ich sie zerbrechen muß, so zerbreche ich mein Herz, und ich werde erschlagen, als erster von allen Eldar in Aman«.123

Als Oxford-Professor für englische Sprache und Literatur hat Tolkiens seine fiktionale Mythographie, die Silmaril seiner Fantasie, schon immer verteidigen müssen. Ausgesprochen leidenschaftlich tut er dies in seinem Essay Über Märchen, in dem er das Recht auf Fantasie einfordert, und diese auf elementare menschliche Bedürfnisse (baisc needs) bezieht:

Im Herzen vieler von Menschenhand geschaffener Elbengeschichten findet sich offen oder verhüllt, rein oder beigemischt, das Verlangen nach einem lebendigen, wahrgewordenen Zweitschöpfertum, das innerlich etwas ganz anderes ist als die selbstsüchtige Machtgier, an der man den bloßen Magier erkennt.124

In dem Gedicht Mythopoeia nennt er dieses Zweitschöpfertum, in einer an Shakespeare erinnernden Formulierung, ein legitimes Recht, das nicht verfallen ist: we made still by the law in which we´re made.125 Das Recht auf Fantasie schließt für Tolkien automatisch die Legitimität der Nebenschöpfung mit ein.
Sache des Mythos ist Darstellung, das Hörbarmachen atmosphärischer Qualitäten. Mythos ist Aussage, ist verlässlicher Bericht über das im Atmosphärischen Gespürte, Erblickte und Gehörte, das räumlich ausgegossen in die menschliche Erfahrung hereinbricht. Mythische Erzählungen sind

immer ein hinweisendes Sprechen, ein Sprechen, das helfen soll, in der Wirklichkeit einen bestimmten Gott als solchen zu erkennen, deshalb wird erzählt, wie er anderen begegnet ist.126

Mythen beruhen auf der Erfahrung der Wirkung übermenschlicher Kräfte auf den Menschen, und auf die Nutzbarmachung der damit verbundenen Energien durch ihn. Sie zeugen vom Gespräch mit den Archetypen (mit Göttern oder Helden); sie schildern das vorbildliche und entwicklungspsychologisch verbindliche Leben des Helden. Begegnungen dieser Art erlebt der Mensch als emotional ergreifend und numinos;127 die Auseinandersetzung mit seiner Ergriffenheit führt den sinnsuchenden Menschen zur mythischen Gestaltung. Einst unterschied diese Ergriffenheit den Mythos von rein dichterischer Fantasie und Fiktion, eine Differenz die heute zunehmend aufgehoben scheint, da der für den modernen Menschen begreifbare Mythos aus dem Repertoire der alten Mythologien neu geschaffen werden muss. Erst durch diese Metamorphose kann sich der postmoderne Mensch neu mit dem Mythos verbinden. Das hinweisende Sprechen der Mythen hat immer konjunktivischen Charakter – es verweist allein auf die jeweils mögliche eigene Erfahrung mit dem Übermenschlichen, sei es Gott oder Heros. Gemessen an solchen Erfahrungen gewinnen mythische Erzählungen sinn- und identitätsstiftende Glaubwürdigkeit und Legitimität, stabilisieren sie doch die Weltanschauung einer Gemeinschaft. Den Mythos richtig aufgefasst bedeutet allerdings das Zugeständnis, dass Götter und Helden Voraussetzung, nicht allein Gegenstand der mythischen Rede sind. Übersinnliche Erfahrungen müssen erst gemacht werden, durch in gewisser Weise vorbildliche Menschen, die etwas das Alltägliche Transzendierende besitzen oder bewirken. Bevor man von ihnen erzählen kann, muss man erst begegnen. Der Mythos endet da, wo unmittelbare atmosphärische Erfahrungen nicht mehr stattfinden, wo eine dogmatische Theologie nach dem An-Sich-Sein mythischer Protagonisten fragt, wo starre Theorie an die Stelle dynamischer Erfahrung tritt. Auch gegen diesen Anspruch des modernen Materialismus hat sich Tolkien vehement gewandt. Wenn von Tolkien oben als Diskursivitätsbegründer die Rede war, so verweist diese Bezeichnung auf ihn als Begründer des fantastisch-heroischen Genre innerhalb der Phantastischen Literatur des 20. Jahrhundert. Das rezente Verständnis des Mythischen sowie die weitere Erfahrbarkeit und Epiphaniefähigkeit des Göttlich-Heroischen unterliegt inzwischen immer mehr dem, was Henning Köhler den dreifachen Kreativitätsverlust genannt hat:

In diesem Kraftfeld vollzieht sich unter den Augen der »herrschenden euphorischen Allianz des positiven Denkens« (Horst-Eberhard Richter) als »Ausdruck [...] der Getrenntheit des Menschen von seinem überweltlichen Wesen« (Karlfried Graf Dürckheim) dasjenige, was ich den dreifachen Kreativitätsverlust nennen möchte: Erstarrung der Phantasie (Denktod), Mechanisierung der Beziehungen (Fühltod) und Verzweckung des Handelns (Willenstod).128

Damit ist aber weder die atmosphärische Dimension der Wirklichkeit noch die menschliche Resonanzfähigkeit für diese verloren gegangen, denn gerade dies belegt Tolkiens große Resonanz. Nicht die Empfänglichkeit für Atmosphären hat sich geändert, nur deren Interpretation und Bewertung.
Ob der moderne Mensch inzwischen noch Mythos, Legende, religiöse Überlieferung, Märchen, Fabel, Fantasy oder Science Fiction formal und inhaltlich unterscheidet, ist fraglich, und gleichzeitig unbedeutend geworden. Vielmehr gelten ihm alle diese Texte als unterschiedliche Genres der Fantastik. Und in seiner Wahrnehmung dieser Literaturform hat er sich vom Mythos zur Fiktion fortbewegt, wobei er unterschiedslos als erdachte Konstruktion betrachtet, was sich seiner unmittelbaren, vom kulturspezifisch Alltäglichen normierten Wahrnehmung entzieht. Das vom naturwissenschaftlichen Dogma geprägte Weltbild, das als Faktum nur akzeptiert, was sinnlich wahrnehmbar ist, büßt an Überzeugungskraft ein, da es die parallele Realität des Fantastischen weder widerlegen noch überwinden kann. Was westliche Wissenschaft als mythisch oder ahistorisch und damit als Fiktion oder versöhnlicher als quasi-historisch bewertet129 erscheint in der Perspektive der Autoren der Phantastischen Literatur als quasi-faktisch. Dies ist nichts Besonderes und auch nicht besonders neu, ignorieren doch die meisten außereuropäischen oder vergangenen Kulturen diesen Gegensatz. Ob mythische Erzählung oder historischer Bericht, beides gilt ihnen, lediglich kontextuell unterschieden, als wahr.130 Geschichte als Faktum und Mythos als Fiktion sind Kategorien, die der Beschreibung eines wissenschaftlichen Gegenstandes, nicht unbedingt realen Gegebenheiten dienen. Das Programm der Phantastischen Literatur hat zur Überbrückung dieses Gegensatzes aufgerufen. In dieser Vorliebe für das Fantastische (als Genre Fantasy), von der Literaturkritik meistens als Eskapismus, Flucht aus Gegenwart und Realität missverstanden, äußert sich ein massives Unbehagen an der westlichen Kultur, und deren ideologischer Doktrin des Geldes, des Konsums und des an materiellen Normen und Werten ausgerichteten Erfolgsdenkens. Fasst man das Genre der Phantastischen Literatur allzu einseitig als eine Communitas von Autor und Leser auf, als deren gemeinsame Neigung zu Eskapismus und Weltflucht, muss man sich der Frage stellen, ob ein solcher Eskapismus nicht längst Merkmal moderner Normalität und Allgegenwärtigkeit geworden ist. Wie muss eine Kultur bewertet werden, deren Bedarf an mythisch-fiktiven Geschichten sich inflationär entwickelt, und deren einzige Antwort auf dieses Phänomen darin besteht, die religiöse und spirituelle Entfremdung der Menschen weiter voran zu treiben indem sie ihm dürre Fakten bietet, die ihn nicht inspirieren, sondern verdorren?

Tolkien hat sich nicht bemüht, sich von dem Vorwurf des Eskapismus, der von Kritikern schon früh in Bezug auf sein Werk angewandt wurde, zu rechtfertigen. Ganz im Gegenteil: Im seinem Essay Über Märchen bekennt er sich offensiv zum Märchen als eskapistischer Literatur und Fluchtweg. In der Flucht, die für ihn weder verwerflich noch anstößig ist, sieht er die eigentliche Funktion des Märchens:

Im „wirklichen Leben“, wie es der [eskapistische] Sprachgebrauch zu nennen beliebt, ist Flucht offenbar in der Regel höchst zweckmäßig, manchmal sogar heroisch. Im wirklichen Leben ist Flucht nur schwer zu tadeln, es sei denn, sie scheitert; für die Literaturkritik scheint sie umso schlimmer, je besser sie gelingt [...]. Warum einen Mann verachten, wenn er aus dem Gefängnis auszubrechen versucht, um nach Hause zu gehen? Oder wenn er, weil ihm das nicht gelingt, an anderes denkt und von anderem redet als von Gefängniswärtern und von Gefängnismauern? Die Welt draußen ist doch nicht weniger wirklich geworden, weil der Gefangene sie nicht sehen kann.131

Aus der Bewertung der Phantastischen Literatur als eskapistische Literatur ergibt sich wie selbstverständlich der Vorwurf der Fortschrittsfeindlichkeit, die Tolkien als dessen zweites, böses Gesicht bezeichnet hat. Er hält dagegen, dass der Eskapist nicht den Launen der Mode ausgeliefert ist, sich die Dinge nicht zu Göttern und Herren macht.132
Tolkien sah sich einem Zeitalter immer besserer Mittel zu immer schlimmeren Zwecken gegenüber. Dieses Zeitalter, personifiziert in Morgoth, dem Dunklen Herrscher, den selbst die Eldar nur mit Hilfe göttlich-himmlischer Wesen, den Valar, besiegen konnten, hat er in seiner Literatur gegeißelt. Für ihn gehört die Flucht zum Wesen einer solchen Epoche, nicht die Flucht aus dem Leben, aber die Flucht aus selbstgeschaffenen Elend, Hässlichkeit und Bösartigkeit – alle drei unauflösbar miteinander und mit dem Schicksal der Menschen verbunden. Für Tolkien war das Gute seiner Schönheit beraubt, wie die menschliche Intelligenz für Rudolf Steiner dem Bösen zugewandt ist. Die Themen der Mythen und Märchen bieten in der Fantasie Raum für Trost und Befriedigung angesichts alltäglichen Leidens und Duldens. Tolkien konnte nicht einsehen, was an der Flucht vor der Zerstörung des Menschlichen, besonders ausgeprägt im 20. Jahrhundert, falsch oder verwerflich sein sollte. Den dreifachen Identitätsverlust, den der westliche Mensch in seiner Entwicklung zum befreiten Individuum der Moderne hinnehmen musste – den Verlust der Religiosität (Spiritualität) seit der Aufklärung, den Verlust der verwandtschaftlich-familiären und sozialen Strukturen (Entfremdung) seit der Industrialisierung und den Verlust nationaler Traditionen durch zwei Weltkriege und Nationalsozialismus (kulturelle Identität) – hat ihn zuletzt aus Raum und Zeit hinausgehoben, ihn als Ich, anderen Ichen gegenüber stehend, vereinzelt. Tolkien glaubte, dass diese Befindlichkeit und Betroffenheit des modernen Menschen den Wunsch nach der Großen Flucht ausgelöst hat, der Flucht vor dem Tod.133 Das Thema des Nichtsterbenkönnens, das Tolkien in dem besonderen Schicksal der Eldar in der Ainulindalë, und später immer wieder in den Versionen der Quenta Silmarillion und dann im Herrn der Ringe thematisiert hat, ist erfüllt von dem, was Tolkien in seinem Essay Über Märchen als echt eskapistische Geistesart beziehungsweise als Fluchtgesinnung formuliert hat.134
In der Kosmogonie der Ainulindalë erläutert Tolkien das unterschiedliche Schicksal der Eldar und Edain, der Unsterblichen und der Sterblichen, der ersten und zweiten Kinder Ilúvaters, als von diesem bestimmt. Die unsterblichen Eldar sind eng mit dem Werden und Vergehen Mittelerdes verbunden, können nur durch Einwirkung äußerer Gewalt sterben. Den Edain dagegen gewährte Ilúvater die Gnade zu sterben, Mittelerde zu verlassen, ohne dass bekannt wäre, wohin die Edain nach ihrem Tode gehen. Die Ungewissheit, die mit dieser Gabe Ilúvatars verbunden ist, bestimmt den großen theologischen Diskurs zwischen Finrod und Andreth in der Athrabeth Finrod ah Andreth. In beiden Essays thematisiert Tolkien das Thema der Großen Flucht im Zusammenhang mit Tod, Unterschiedlichkeit und Weiterleben nach dem Tod. Das Thema der Großen Flucht durchdringt Tolkiens gesamtes Werk, und nicht zuletzt hat dieses Thema ihm wohl den Vorwurf des Eskapismus eingetragen. Es erscheint schon mit den Zeitreisenden Eriol (Einer, der für sich träumt) und Ælfwine im Buch der Verschollenen Geschichten,135 kehrt in der fragmentarischen Zeitreisegeschichte The Lost Road genauso wieder wie in den Notion Club Papers sowie in vielen seiner Gedichte. In der Gestalt Earendils fokussieren alle diese Fäden des tolkien`schen Kosmos. Sie sind in dieser Persönlichkeit positiv angelegt, und werden in der Saga vom Untergang Númenors (erzählt in der Akallabêth) negativ formuliert. In dem Gedicht Das letzte Schiff begegnet das Mädchen Fíriel nach Westen reisenden Eldar, die sie zur Mitreise einladen:

Nein«, riefen sie sanft, »nur weit, weit fort
wird uns die Barke tragen
vom letzten westlichen Grauen Port.
Wir müssen den Aufbruch wagen
durch Schatten und unbekannte Gefahr
zur Heimat: Dort wartet der Weiße.
der Weiße Baum, wie es früher war.
Dies ist unsere letzte Reise!

Nehmt Abschied von der Irdischen Flur,
vom vergänglichen Menschen heute!
So mahnt uns die Glocke vom Hohen Turm
mit ihrem klaren Geläute.
Hier welkt das Gras, das Laub vergilbt,
Sonne und Mond verwittern!
Wir hörten den Ruf, ihm folgen wir
ohne Zagern und Zittern.«

Die erdgeborene Fíriel lässt die Gelegenheit vorübergehen, vielleicht weil sie das unterschiedliche Schicksal, sterblich und unsterblich zu sein, für sich als Wirklichkeit hinnehmen kann, die Große Flucht nur in ihrer Fantasie vollziehen will:

Die Barke glitt an ihr vorbei –
verloren, ach, verloren
Die Elben hörten ihren Schrei:
»Ich kann nicht – bin erdgeboren!«

Nichts zierte ihren Kleidersaum,
als sie die Wiese querte.
Windschiefes Dach und dunkler Raum
grüßten die Heimgekehrte.
Sie strich sich Rock und Ärmel glatt,
schnürte das braune Mieder,
ging an die Arbeit. Wolkensatt
verkroch sich die Sonne wieder.
Jahr um Jahr treibt so dahin
mit den Sieben Flüssen,
Sonne strahlt und Wolken ziehn,
Regen fällt in Güssen.
Aber niemals, niemals mehr
kommt ein Schiff gezogen. Alle Wasser bleiben leer,
stumm die grauen Wogen.
136

Im Herrn der Ringe hat Tolkien das Thema der Großen Flucht nach Westen auf zwei unterschiedliche Weisen aufgegriffen: Einerseits in der Erinnerung an den Mythos von Earendil, andererseits im Bild der Grauen Anfurten (The Grey Havens), dem Hafen, von dem aus die Schiffe der Eldar nach Westen aufbrechen, und Mittelerde verlassen, und von wo aus die Helden des Ringkriegs, Elrond und Galadriel, Gandalf, Frodo und Bilbo Beutlin, aufbrechen, als das Vierte Zeitalter anbricht, und ihre Aufgabe vollbracht ist. Auf ihrem Weg zu den Häfen hören Frodo und Sam singende Eldar, deren Lied den Weg, auf dem sie reisen, in eine mythische Szene kleiden:

A! Elbereth Gilthoniel O! Sternenkönigin, Entfacherin der Sterne!
Silivren penna míriel Weiß glitzernd fallen deine Strahlen herab
O menel aglar elenath O Himmel Glanz, ihr Sterne all,
Gilthoniel, A! Elbereth Entfacherin der Sterne, O! Sternenkönigin.
We still remenber, we who dwell
In this far land beneth the trees
The starlight on the Western Sea
.137

Wie vor ihnen andere, betreten sie den Pfad nach Westen, ins gesegnete Valinor, für Frodo und Bilbo eine ungewöhnliche Ehre, die vor ihnen nur Tuor und Earendil empfingen:

Then Frodo kissed Merry and Pippin, and last of all Sam, and went aboard; and the sails were drawn up, and the wind blew, and slowly the ship went away down the long grey firth; and the light of the glass of Galadriel that Frodo bore glimmered and was lost. And the ship went out into the High Sea and passed on into the West, until at last on a night of rain Frodo smelled a sweet fragrance on the air and heard the sound of singing that come over the water. And then it seemed to him that as in his dream in the house of Bombadil, the grey rain-curtain turned all to silver glass and was rolled back, and he beheld white shores and beyond them a far green country under a swift sunrise.138

In Tom Bombadils Haus wies den Leser nichts darauf hin, dass Frodo eine Vision seiner letztendlichen Reise nach Valinor erlebte. Erst als sich Frodo auf dem Schiff nach Westen befindet, lüftet Tolkien den Schleier, sofern sich der Leser jetzt noch erinnert. Seinem Sohn Christopher verriet Tolkien diesen Zusammenhang schon in einem Brief im November 1944, und schon damals war Frodos Weg nach Valinor entschieden.139 Der Pfad, auf dem Frodo und seine Gefährten reisen, ist ein besonderer Pfad, der einst sichtbar die Welt der Valar mit jener der Eldar und Edain, Valinor und Mittelerde, verband. Erst der Fall Númenors, deren Könige durch Saurons Wirken verführt, Valinor erobern und selbst unsterblich werden wollte, führte zur Krümmung der Welt und damit des Pfades: der gerade Weg wurde krumm, das heißt unsichtbar und für die Menschen nicht mehr begehbar. Derjenige, der ihn beschritt, kam immer nur an seinen Ausgangspunkt zurück. Nur Earendil (und vielleicht Tuor) gelang es den Geraden Weg nach Valinor zu finden, aber beide konnten nicht mehr zurückkehren. Als sich später Amandil auf den Weg machte, um den Fall und Untergang Númenors abzuwenden, sah ihn niemand jemals wieder. Alle diese Geschichten Tolkiens, die um das Thema des Geraden und Krummen Pfades kreisen, handeln eigentlich von der Furcht vor dem Tod und dem Einverständnis der Endgültigkeit, sie betrauern den Verlust des Irdischen Paradieses (der elysischen Gefilde / der Inseln der Seligen) und das Ausgeschlossensein aus der urzeitlichen Glückseligkeit. Tolkien bemühte sich mit diesem Thema eine Versöhnung von Fantasie und Realität zu schaffen, besser formuliert, von Fantasie und Glaube. Märchen und Mythen. Seine Erzählungen thematisieren diese Todesflucht in die Unsterblichkeit, der Wiedergeburt, der Suche nach dem Wasser des Lebens. Ihr glückliches Ende bietet noch dem modernen Menschen Trost und Zuflucht. Das Phänomen des glücklichen Ausgangs erklärt den interkulturellen Erfolg und die Faszination der Erzählungen Tolkiens. Die Sehnsucht des modernen Menschen nach der Eukatastrophe, der guten Katastrophe, der plötzlichen, oft unerwarteten Wendung zu Guten, ist ein anderer zentraler Begriff in den Tolkiens Werk:

In ihrem märchenhaften - oder sekundärweltlichen – Rahmen ist sie eine plötzliche und wunderbare Gnade: Mit ihrer Wiederholung ist niemals zu rechnen. Sie verleugnet nicht das Dasein der Dyskatastrophe, des Leides und Mißlingens, denn deren Möglichkeit ist die Voraussetzung für die Freude der Erlösung; sie verleugnet (dem Augenschein zum Trotz, wenn man so will) die endgültige, allumfassende Niederlage, und insofern ist sie Evangelium, gute Botschaft, und gewährt einen kurzen Schimmer der Freude, der Freude hinter den Mauern der Welt, durchdringend wie das Leid.140

Wenn auch die meisten der Protagonisten ihrer endgültigen Niederlage entgegensehen, gilt dies nicht vorbehaltlos für alle – es gibt Privilegierte, die Mittelerde verlassen können, wie sich zeigen wird, auf zwei verschiedene Weisen. Die Verleugnung der endgültigen Niederlage ermöglicht für einen kurzen Moment die Gelegenheit, einen Blick hinter diese Grenze zu werfen, und befördert den Glauben daran, sie selbst einst physisch zu überwinden. Denn mit den Mauern der Welt denkt Tolkien wohl nicht an die Ilurambar, die die Grenze zwischen der Welt und der Äußeren Leere (Kúma) bilden. Vielmehr meint er die Pelori, die umhüllenden Berge, die Valinor vor den Augen der Sterblichen verbergen. Die Earendil-Erzählung ist diesem Thema gewidmet. Die eukatastrophische Dimension der tolkien`schen Erzählungen widersetzt sich ihrer Bewertung als eskapistisch oder wirklichkeitsflüchtig. Unter dieser Voraussetzung schöpfte Tolkien aus der Wirklichkeit eine innerlich folgerichtige Sekundärwelt, und entwarf in Anlehnung an die altgermanische Mythologie und Sagaliteratur seine Theorie des Muts.141 Tolkiens Helden, deren Schicksal er in seinen Erzählungen kommentierend nachzeichnet, scheitern in ihrem Handeln für das Wohl der Gemeinschaft. Sie sind aber in ihrer Niederlage siegreich, und darin liegt die Größe ihres Scheiterns. Indem sie die Niederlage ignorieren, mündet ihre Katharsis in der Eukatastrophe. In dieser speziellen Theorie des Muts, die Tolkien als altgermanische Tugend ansah, offenbarte sich für ihn der Glaube an die Unbedingtheit des unbeugsamen Willen das Gute zu tun. Aus der Erkenntnis heraus, dass wissenschaftliche Texte Konstruktionen sind, die im weitesten Sinne biographisch verstanden werden müssen, schrieb Clifford Geertz:

Das Finden eines Standpunktes in einem Text, der zugleich intime Sicht und kühle Einschätzung sein soll, ist fast ebenso sehr eine Herausforderung, wie es das Gewinnen der Sicht und das Formulieren der Einschätzung zunächst einmal waren.142

Diese Auffassung trifft die Auseinandersetzung mit Tolkiens Werk, die nur auf der Grundlage seiner religiösen Überzeugungen geführt werden kann. Die Themen Tod, Schmerz und das Böse sind tief eingebettet in die Biographien tolkien`scher Helden. Tom Shippey weist explizit darauf hin, dass Tolkien in seinem Essay Über Märchen schreibt,

daß der älteste und tiefste Wunsch, den Märchen befriedigen können, darin besteht, Geschichten »von der großen Flucht: der Flucht vor dem Tode« zu liefern. Offenbar in eigener Sache fügte er hinzu, was 1947 wie eine rein scherzhafte Bemerkung ausgesehen haben muss: Die menschlichen Geschichten von den Elben sind zweifellos erfüllt vom Thema der Flucht vor der Unsterblichkeit«. Die einzigen Geschichten dieser Art sind natürlich die von Tolkien, und es überrascht nicht, dass sie beide Themen enthalten.143

Die Erzählung von Beren und Lúthien144 ist das herausragendste Beispiel für diese These: Beren kommt nach seinem Tod zurück nach Mittelerde, weil Lúthien, die auf ihre Unsterblichkeit verzichten muss, Mandos mit ihrem Lied erweicht. So entkommt Beren dem Tod, und Lúthien verliert ihre Unsterblichkeit. Auch Earendil und Elwing entkommen der Sterblichkeit, und erreichen eine Art Unsterblichkeit; ebenso verzichtet Arwin Aragorns wegen auf ihre Unsterblichkeit. Auf lange Sicht wählen ohnehin alle Eldar den Tod, schon allein weil sie nach Mittelerde zurückkehren, und sich dem Wirken Morgoth und den Gefahren Welt der Sterblichen aussetzen.
Tolkiens eukatastrophischer Standpunkt ist der Schlüssel zu seinem anhaltenden, internationalen Erfolg. Dass in seinen Erzählungen angewendete, von Aristoteles postulierte Prinzip des gemäßen oder charakteristischen Vergnügens (griech. oikeia hedone), übt auf den Leser eine magische Wirkung aus:

Es handelt sich um das Muster von Leben und Tod, in dem unsere Schwierigkeiten gipfeln, ehe sie für immer verschwinden. […] Seit den Anfängen des Geschichtenerzählens verschafft eine Spannung erzeugende Struktur mit der ein Überlebensmodell präsentiert wird, den Menschen ungeheuere Befriedigung.145

Ari Hiltunen formuliert das Prinzip erfolgreicher Drehbücher und Romankonzepte und schließt sich mit diesen Worten Tolkiens Perspektive vom Wesen sinnhaften Erzählens an. Tolkien, dies wurde gezeigt, verleugnet in seinen Erzählungen die endgültige, allumfassende Niederlage,146 eine Haltung, die der Eukatastrophe den Weg bahnt, die einen kurzen Schimmer der Freude hinter die Mauern der Welt147 ermöglicht. Diese Haltung, auch das hat Tolkien verstanden, erfordert aber weit mehr als nur Fantasie: Sie setzt einen Sekundärglauben voraus,148 um die Sekundärwelt149 des Geschichtenerzählers überhaupt erst betreten zu können, um die emotionale Anbindung an die durch Silber geblasene Lüge150 des Mythos nachvollziehen zu können. Sobald Unglaube aufkommt, ist der Bann gebrochen, und die fragile Zweitschöpfung stürzt in sich zusammen.
In den Versionen der Quenta Silmarillion geht Tolkien der Frage nach dem Schicksal der Sterblichen nach: einerseits entscheiden sich die Eldar in freiem Willen für die Sterblichkeit, andererseits bleibt den Edain keine andere Wahl. Und dennoch ist der Tod der beiden Ethnien nicht der gleiche, wie Tolkien in Ainulindalë und Athrabeth Finrod ah Andreth erläutert. Als Geschenk Ilúvaters ermöglicht der Tod den Edain (ihr physisches Sterben) die geistige Unsterblichkeit. Die Geschichten des Silmarillions, und besonders die darin eingebetteten Geschichten der Edain, sind von einer tiefen Trauer erfüllt, mehr noch als Der Herr der Ringe, der deshalb populärer wurde. Sie stellen eindringlich die Frage nach Tod, Schmerz und dem Sinn des Bösen – und wozu die Prüfungen des menschlichen Lebens erforderlich sind. Earendil überwindet diese Begrenztheit und die Dichotomie sterblich-unsterblich. Er einer der ersten Pereldar (Halbelbe), dessen Vater Tuor zu den Edain, dessen Mutter Idril Celebrindal zu den Eldar gehört. In seinem Schiff Vingilot überschreitet er, physisch und geistig unversehrt und heil, die Grenze zu den elysischen Gefilden Valinors.

Anmerkungen

115 Carpenter, Biographie, 170.
116 Carpenter, Biographie, 218-219. Tolkien verteidigt das Fantasieren als natürliche menschliche Tätigkeit, dass weder die Vernunft beleidigt, noch die wissenschaftliche Erkenntnis oder die Wahrheit verdunkelt: entfremdet ist er längst, der Mensch, aber noch nicht ganz verändert und verlassen. Mag er auch die Gnade verloren haben, bewahrt er von seiner einstigen Würde doch so manchen Rest: Noch immer ist er der Zweitschöpfer, in dem sich das Licht aus dem einen Weiß in die vielen Farben bricht, aus deren endloser Mischung die lebendigen Gestalten hervorgehen. Mögen wir alle Winkel der Welt mit Elben und Kobolden anfüllen, mögen wir es selbst wagen, aus Licht und Dunkel Götter und ihre Häuser zu bilden, oder mögen wir Drachensaat säen – so war es unser Recht, ob wir nun guten oder schlechten Gebrauch davon machten. Und dies Recht ist nicht verfallen: Noch immer schaffen wir nach demselben Gesetz, nach dem wir geschaffen wurden (Märchen, 185).
117 Tolkien, Ungeheuer, 34.
118 J.R.R. Tolkien, Blatt von Tüftler, in: Fabelhafte Geschichten, Stuttgart, 1975,127; hier: S.135 [Tüftler].
119 Zitiert nach: Dieter Bähr, Einführung in das Altenglische, München, 2001:80 und 96. Vgl. a. Beowulf, translated with an introduction and commentary by Howell D. Chickering, Jr., New York, 1977:68-71 und 98-99 [Beowulf].
120 Tolkien, Ungeheuer, 178-179.
121 Tolkien, Märchen, 179-180.
122 Carpenter, Biographie, 219-220.
123 J.R.R. Tolkien, Das Silmarillion, herausgegeben von Christopher Tolkien, Stuttgart, 1999:101-102 [SIL deutsch].
124 Tolkien, Märchen, 184.
125 Wir schaffen noch nach dem Gesetz, unter dem wir geschaffen wurden (Carpenter, Biographie, 295). Bei Shakespeare in The Tempest (Der Sturm) heißt es entsprechend:
We are such stuff
As dreams are made on; and our little life
Is rounded by a sleep
(William Shakespeare, The Tempest, Stuttgart, 1982:120).
126 Reinhard Falter, Die Götter der antiken Erfahrungsreligion 1: Theogonie, Novalis 4, 1995:55 [Erfahrungsreligion].
127 Hubert Fichte berichtet über die Verwendung haitianischer Götternamen: Zu Beginn der Unterhaltung spielt André noch den Vaudoukaspar, den die Ausländer von ihm erwarten – Quasiweisheiten, Gebrabbel, magischer Unsinn.
Eine Zauberflöte wird von seiner undurchdringlich freundlichen Frau angeboten.
Bei der Nennung der Götter wird er ernster.
Die Namen der Götter sind für ihn keine bloßen Zeichen – es sind Ereignisse. Er darf die Götter nicht durch unrechten Gebrauch ihrer Namen stören
(Xango. Die afroamerikanischen Religionen: Bahia.Haiti.Trinidad, Frankfurt a.M., 1979:131).
128 Vgl. Henning Köhler, »Schwierige« Kinder gibt es nicht. Plädoyer für eine Umwandlung des pädagogischen Denkens, Stuttgart, 1997:62).
129 Firth, Tikopia, 11-12).
130 Dieser Wahrheitsbegriff, welcher mythische und geschichtliche Überlieferungen als gleich glaubwürdig ansieht, ist unserem kritischen Wahrheitsbegriff, wie ihn die moderne Historie verwendet, natürlich fremd. Die Antinomie zwischen wahr und falsch wird zunächst von uns an die geschichtliche bzw. mythische Überlieferung herangetragen und erweist sich als ein viel zu grobes Kriterium, um beide Sphären im Bewusstsein schriftloser Völker zu unterscheiden (Schott, 1968:193).
131 Tolkien, Märchen, 189-190.
132 Tolkien, Märchen, 191.
133 Tolkien, Märchen, 196-197.
134 Tolkien, Märchen, 197.
135 Tolkien, Verschollene Geschichten [VG] 1:21-22 bzw. VG 2:395ff.
136 J.R.R. Tolkien, Das letzte Schiff, in: Die Abenteuer des Tom Bombadil und andere Gedichte aus dem Roten Buch, Stuttgart, 84:84-87.
137 J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings, Part 3: The Return of the King, London, 1999:374 [RK]. Übersetzung der ersten vier Zeilen aus dem Quenya, H.W.J.
138 Tolkien, RK.377-378. Frodo träumte diesen Traum kurz vor dem Aufbruch der Hobbits auf die Hügelgräberhöhen, und Tolkien beschriebt ihn mit fast denselben Worten: But either in his dreams or out of them, he could not tell which, Frodo heard a sweet singing running in his mind: a song that seemed to come like a pale light behind a grey rain-curtain, and growing stronger to turn the veil all to glass and silver, until at last it was rolled back, and a far green country opend before him under a swift sunrise (Tolkien, FR.178).
139 Tolkien, Briefe, Nr.91, 140: Aber die Schlußszene wird sein, wie Bilbo, Elrond und Galadriel auf ihrem Weg zu den Grauen Anfurten durch die Wälder des Auenlandes gehen. Frodo wird sich ihnen anschließen und übers Meer fahren (anknüpfend an seine Vision in Tom Bombadils Haus von einem grünen Land in der Ferne). Vgl. a. J.R.R. Tolkien, The History of Middle-Earth, Volume IX: Sauron Defeated, edited by Christopher Tolkien, London, 1993:53 und 109 [HME, IX].
140 Tolkien, Märchen, 197.
141 Tolkien, Ungeheuer, 40-41. Vgl. auch Herbert W. Jardner, Tolkiens Theorie des Muts, online publiziert im Weblog Tokien News. Neuerdings hat Tom Shippey eine Untersuchung über den Viking mindset diesem Thema gewidmet (Laughing Shall We Die. Live and Death oft he Great Vikings, London, 2018).
142 Geertz, Die künstlichen Wilden, 19.
143 Tom Shippey, J.R.R. Tolkien. Autor des Jahrhunderts, Stuttgart, 2000:302 [Autor des Jahrhunderts].
144 J.R.R. Tolkien, Die Geschichte von Tinúviel, in: VG 2.9-94.
145 Ari Hiltunen, Aristotels in Hollywood. Das neue Standardwerk der Dramaturgie, Bergisch Gladbach, 1999:26-27.
146 Tolkien, Märchen, 197.
147 Tolkien, Märchen, 197.
148 Tolkien, Märchen, 180.
149 Tolkien, Märchen, 170.
150 Carpenter, Biographie, 170.

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